07.07.2016

Workshop: Kleine Renten, große Probleme: Armut im Alter und bei Erwerbsminderung

Von: Dr. Joachim Rock (Der Paritätische Gesamtverband)
Workshop "Kleine Renten, große Probleme: Armut im Alter und bei Erwerbsminderung" Foto: Stephanie von Becker

Workshop "Kleine Renten, große Probleme: Armut im Alter und bei Erwerbsminderung" Foto: Stephanie von Becker

„Kleine Renten, große Probleme“ – das war der Titel des Workshops zur Alterssicherung. Dass bestehende und drohende Armut ein Problem ist, dass viele Menschen sorgt, zeigte sich auch in dem Workshop, der mit über 60 interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf sehr große Resonanz stieß.

Dr. Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband leitete den Workshop als Moderator ein und betonte, dass die Zeiten vorbei seien, in den Altersarmut als ein vergleichsweise geringes Armutsrisiko galt. Heute zählt Armut im Alter zu den am schnellsten wachsenden Armutsrisiken. Im Jahrzehnt  zwischen 2004 und 2015 hat sich das Armutsrisiko von Rentnerinnen und Rentnern von 10,7 auf 15,6  Prozent erhöht. Das sinkende Rentenniveau, Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse  sowie das armutspolitische Scheitern des 3-Säulen-Systems der Altersvorsorge würden dazu beitragen, dass die Gefahr von Altersarmut weiter wachse, ohne dass erkennbar sei, dass ein politischer Kurswechsel hin zu einer armutsfesten Alterssicherung erkennbar sei.

Als erster Impulsgeber referierte Markus Hofmann, der die Abteilung Sozialpolitik beim DGB Bundesvorstand leitet und ein fachlich ausgewiesener Kenner der Rentenversicherung ist, zur Entwicklung der Renten und den rentenpolitschen Positionen der Gewerkschaften. Seit der Jahrtausendwende seien die Rentnerinnen und Rentner von der allgemeinen Lohnentwicklung weitgehend abgekoppelt. Die private und betriebliche Altersvorsorge hätten es nachweislich nicht vermocht, die durch das sinkende Rentenniveau entstandene Versorgungslücke zu schließen. Es gelte deshalb, dass Rentenniveau zumindest zu stabilisieren und darauf aufbauend flankierende Maßnahmen zu ergreifen, um nicht nur Armut im Alter zu vermeiden, sondern auch den Lebensstandard zu sicher. Dass dies auch finanzierbar ist, hat er DGB in eigenen Berechnungen nachgewiesen, die in der hier ebenfalls dokumentierten Präsentation zusammengefasst sind.

Der Altersarmut in allen Facetten widmete sich Dr. Alfred Spieler, Referent für Sozialpolitik beim Volkssolidarität Bundesverband und hervorragender Fachmann für die sozialpolitischen Leistungssysteme, in seinem Input. Er arbeitete dabei insbesondere die Mehrdimensionalität von Armut heraus und betonte, dass sich Altersarmut nicht nur an einem Mangel an Geld äußere, sondern ältere Menschen häufig auch elementare soziale Teilhabemöglichkeiten faktisch verschlossen blieben, etwa durch unzureichende öffentliche Infrastruktur oder zu weit entferne medizinische Einrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten. Während das Rentenniveau abnehme, wachsen die Kosten für Wohnraum, Gesundheit und Pflege und weitere lebensnotwendige Dinge. Die Grundsicherung im Alter reiche dabei nicht aus, ein großes Problem sei auch verdeckte Armut, häufig aus Scham oder Angst vor Rückforderungen von Behörden gegenüber Familienangehörigen. Er rief dabei dazu auf, die Rechte zu prüfen und sich durch angebliche und tatsächliche Hürden der Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter nicht abschrecken zu lassen. Die Bekämpfung von Altersarmut müsse deshalb an vielen verschiedenen Stellen ansetzen. Er forderte dabei etwa eine Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 50 Prozent, eine Politik der Beschäftigungssicherung, Freibeträge in der Grundsicherung für eine private Vorsorge und bezahlbare Wohnungen und eine altengerechte Infrastruktur.

Eine intensive und teilweise emotionale Diskussion mit zahlreichen betroffenen Menschen, die individuale Situationen eindringlich darstellten, schloss sich den Beiträgen an.

Deutlich geworden ist: Altersarmut ist ein noch immer unterschätztes Armutsrisiko. Wer mit dem Renteneintritt in die Grundsicherung gerät, hat für den Rest seines Lebens – häufig zwei und mehr Jahrzehnte – keine Aussichten mehr, die Altersarmut zu verlassen. Aus diesem Grund besteht ein erheblicher politischer Handlungsbedarf. Konkrete Handlungsoptionen wurden dabei im Workshop diskutiert. Ziel muss es danach sein, das Rentenniveau zu stabilisieren, zu erhöhen und darauf aufbauend eine nicht nur armutsfeste, sondern lebensstandardsichernde Reform der Alterssicherung durchzusetzen. Der notwendige politische Druck sollte sich herstellen lassen, denn „auf lange Sicht sind wir alle alt“, wie Moderator Rock betonte.

Download Zusammenfassung Workshop

Download Input Workshop Volkssolidarität

Download Präsentation DGB


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