07.07.2016

Workshop: Kein Weg zurück! Die Armut bei psychischen Erkrankungen

Von: Sabine Bösing
Workshop "Kein Weg zurück!" Foto: Stephanie von Becker

Workshop "Kein Weg zurück!" Foto: Stephanie von Becker

Ob „arm und psychisch krank“ oder „psychisch krank und arm“: Die betroffenen Menschen befinden sich in einem Kreislauf, der geprägt ist durch Exklusion in allen Lebensbereichen, die damit verbundenen zunehmenden Selbstzweifel und die Resignation. Der Workshop hatte zum Ziel, die Zusammenhänge von Armut und psychischer Erkrankung zu diskutieren, die Lücken im System aufzudecken und mögliche Lösungsansätze zu benennen. Für die fachlichen Expertisen sorgten Josef Schädle und Patrizia Di Tolla, die mit ihren jahrelangen praktischen Erfahrungen fundiertes Wissen im Bereich Soziale Psychiatrie einbrachten. Die Teilnehmenden sorgten für eine lebhafte Diskussion und brachten aus ihrer jeweiligen professionellen und/oder selbstbetroffenen Perspektiven Wünsche und Forderungen mit ein.

Neben einem kurzen Abriss der Situation vieler Menschen mit psychischen Erkrankungen, wurden die Chancen für Veränderung, die sich in den jeweiligen Gesetzesvorlagen verbergen, erörtert. Es stellten sich dabei z. B. folgende Fragen: Welche Verbesserungen sind im Bundesgleichstellungsgesetz für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen enthalten? Werden, wenn es um Barrierefreiheit geht, auch die Barrieren dieser Personengruppe berücksichtigt? Liefert das Präventionsgesetz mit seinem Lebensweltbezug auch bessere Voraussetzungen im Hinblick auf psychische Erkrankungen? Sorgt das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) tatsächlich zum weiteren Ausbau des ambulanten Sektors der psychiatrischen Versorgung und lässt den Menschen die Wahlfreiheit, in welchem Rahmen sie Behandlung wünschen?

Grundlage für diese Gesetze bildet die UN-Behindertenrechtskonvention, insbesondere Artikel 9 und Artikel 28 wurde in diesem Zusammenhang von Frau Di Tolla näher erläutert. Darin werden unabhängige Lebensführung, angemessene Lebensstandards für die Betroffenen und ihre Familien und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen gefordert.

Unter der Überschrift „Was braucht es, um den Weg in die Armut zu verhindern und ihn für alle, die betroffen sind, aus der Armut zu ermöglichen?“ wurden Wünsche, Lösungsansätze und entsprechende Maßnahmen festgehalten. Hier die Zusammenfassung:

Armut und Ausgrenzung

Die gesellschaftliche Sensibilisierung für psychische Störungen und Erkrankungen muss mit geeigneten Maßnahmen und möglichst früh verstärkt fortgesetzt und damit die Entstigmatisierung der Betroffenen gefördert werden. Gleichfalls braucht es die gesellschaftliche Akzeptanz von psychischen Erkrankungen, um soziale Teilhabe zu ermöglichen.

Der Einsatz des persönlichen Budgets soll selbstbestimmt möglich sein, um den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der betroffenen Menschen gerecht zu werden und eine Ausweitung von sozialer und kultureller Teilhabe zu ermöglichen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention muss mit Leben gefüllt werden; inklusive Prozesse müssen selbstverständlich sein.

Armut und unzureichendes finanzielles Auskommen

Um die finanzielle Situation psychisch kranker Menschen zu verbessern, bedarf es einer erheblichen Erhöhung der Einkommens- und Vermögensgrenzen im geplanten Bundesteilhabegesetz.

Eine vergleichbare Regelung, z. B. durch Festlegung von Obergrenzen, soll es für den Zuverdienst von psychisch kranken Menschen im Rahmen von Rehabilitation geben.

Armut und Arbeit

Psychische Störungen sind mit vielfältigen Einschränkungen und Behinderungen im Bereich Bildung und Arbeit verbunden. Es braucht daher den Ausbau von Zuverdienstangeboten, um die Teilhabe an Arbeit zu gewährleisten. Die Rahmenbedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt müssen flexibler gestaltet werden, z.B. flexible Arbeitszeiten und Einsatz von Budget für Arbeit.

Armut und Lücken in der Versorgung

Das Versorgungssystem ist nach wie vor defizitär, vor allem im ländlichen Raum braucht es Versorgungs- und Teilhabebereiche ambulant, Arbeits-, Wohn- und Freizeitmöglichkeiten.

Es bedarf geregelter Koordination und Kooperation unterschiedlicher Hilfesysteme (sektorenübergreifend), um angemessene und lückenlose Behandlungs- und Begleitungsangebote zu sichern.

Die Begleitung und Behandlung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung muss auch die familiären und sozialen Bezugssysteme im Blick behalten und einbeziehen (Stichwort: Kinder psychisch erkrankter Menschen).

Ausblick

Abschließend wurde betont, dass es eine Begegnung auf Augenhöhe braucht. Eine Haltung der „Gleichwürdigkeit“ kann zu einem veränderten und ressourcenorientierten Umgang mit psychisch erkrankten Menschen führen, die tatsächliche Teilhabe ermöglicht und Armut verringert.

Download Zusammenfassung Workshop


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