08.07.2016

Workshop: Vom Tabu zum Topthema: Armutsberichterstattung in den Medien

Von: Prof. Dr. Thomas Leif
Workshop "Vom Tabu zum Topthema: Armutsberichterstattung in den Medien" Foto: Stephanie von Becker

Workshop "Vom Tabu zum Topthema: Armutsberichterstattung in den Medien" Foto: Stephanie von Becker

Die mediale Vernachlässigung der Vernachlässigten - Die Spiegelung der  Armut in den Medien: von der Latenz zur Sichtbarkeit – gibt es einen neuen social drift?

„Jeder fünfte Deutsche ist von Armut bedroht.“  Dieser amtliche Befund des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014 schreckt viele auf, ein Alarmzeichen für den  im Grundgesetz garantierten Sozialstaat. 20,6 Prozent  und damit 16,5 Millionen Menschen sind demnach von Armut bedroht. Skandalzahlen, die das Leistungsversprechen des demokratischen Rechts- und Sozialstaat, mit harten Fakten dementiert.

Diese offiziellen Zahlen sind unter Experten höchst umstritten, auch weil die Definition der „relativen“ Armut ein statistischer Wert sei, der viele Unterstützungsquellen wie zusätzliche Vermögenswerte oder die Hilfen von Familienangehörigen der Armen nicht berücksichtige. Führende Wirtschaftsforscher glauben zudem, dass (Fach)-Politiker auf die alarmierenden Armutszahlen mittlerweile „abgestumpft“ reagieren.

Dieses Konfliktbild prägt auch die Medienberichterstattung: einerseits ist besonders im vergangenen Jahr das Armutsthema aus dem Schatten der (weitgehenden) Nichtbeachtung in den Focus der Aufmerksamkeit aufgestiegen. Die statistischen Armuts-Befunde sind `Tagesschau-und-BILD-tauglich“ geworden. Meist bleibt es aber bei den anonymen, gesichtslosen Zahlen, ohne die persönlichen Schicksale und die politischen Strukturen hinter den Armutszahlen aufzuhellen, zu analysieren und wirksame Korrekturen einzuleiten.

Die Beschäftigung mit dem Themenfeld Armut ist stets auch ein Kampf um die Interpretationseinheit. Wird mit den Zahlen und Ziffern übertrieben, um Aufmerksamkeit zu erzeugen  – oder wird verharmlost, um das „Skandalthema“ einzuhegen und die beklagten Zustände zu normalisieren?

Dieser dauernde Interpretationskampf spiegelt sich in der gesamten Medienberichterstattung.

Unbestritten ist, dass die Kluft zwischen Reichen und Armen in Deutschland immer größer wird; die Narrative „zunehmende soziale Ungleichheit“ und „Abstieg der Mitte der Gesellschaft“ haben Konjunktur. „Aufreger-Qualität“ und „Gesprächswert“ –um diese gängigen Fachbegriffe der Redaktionen zu nutzen- hat derzeit aber lediglich ein besonders emotionales `Armuts-Segment´.  Die steigende Kinderarmut, auch weil die Zukunftschancen von jedem fünften Kind mehr als düster aussehen. Nur  bei den von Armut betroffenen Kindern gibt es parteiübergreifend einen zumindest angekündigten Konsens.

Selbst wirtschaftsnahe Wissenschaftler, Stiftungen und Unternehmensvertreter haben das „Problem“ identifiziert. Nicht zuletzt weil damit das Postulat der sozialen Mobilität und das Versprechen des sozialen Aufstiegs für jeden –unabhängig von Herkunft und finanziellen Status der Eltern-  zur leeren Hülle wird.

Das kommunikative Ritual auf allen Kanälen: hier müsse der Staat handeln, um mehr Chancengerechtigkeit für Kinder und damit bessere Aufstiegschancen unabhängig vom Einkommen der Eltern zu ermöglichen. Es bleibt aber meist bei diffusen Appellen an den Sozialstaat, der seine Sozialbudgets effektiver umverteilen solle. Der Grund für die Aufmerksamkeit:  Bei „armen Kindern“ schwingt weitgehend ungefiltert das schlechte Gewissen mit. Kinder können ja nicht für ihre Lage verantwortlich gemacht werden. Trotz der Bekenntnisse: Konkrete Umsetzungsschritte zur Bekämpfung der (Kinder)-armut sind derzeit nicht erkennbar.

Was sind Gründe für die extreme Polarität zwischen dem Faktenstand zur Armut und der auffälligen Inkonsequenz bei der Veränderung der Strukturen, die Armut festigen? Wie wirkt sich dieser Konflikt auf die mediale Reflexion des Themas Armut aus?

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

Was sind die Gründe für das gespaltene Medienbild?

Wer prägt die Narrative beim Thema „Armut“; welches Ziel der Eindruckserweckung liegt hier zu Grunde?

Warum wird in den Medien so selten über die Konsequenzen der dramatischen statistischen Befunde berichtet und  mit gesicherten Argumenten gestritten?

Welche Fehler machen die „Advokaten“ der Armut bei der Vermittlung des Themas?

Warum sind die 20 Prozent der „Abgehängten“ nützlich für die Mehrheitsgesellschaft?

Was und Wie wird über „Armut“ berichtet?

Ein Fallbeispiel: Frau W. (50) hat so ziemlich alles erlebt, was niemanden selbst erleben möchte. Die Bürokauffrau hat eine Ausbildung gemacht, sich weitergebildet, sich aus einer gewaltgeprägten Ehe herausgewunden und schwerste Krankheiten überstanden. Aber – nach ihrem Sturz vor 10 Jahren und den Nachwirkungen eines Schädelbruchs- kam sie nicht mehr auf die Beine. Mittlerweile ist sie nahezu erblindet, leidet unter den Folgen der Krebserkrankung und von schwerwiegenden, sehr schmerzhaften  Bandscheibenschäden.  Ihr Leben ist heute nur noch von einem Kampf gegen die Sozialbehörden geprägt, ein Kampf, den sie weitgehend allein und ohne Hilfe, führt.

Sie kämpft seit sechs Monaten um die Grundsicherungs-Ergänzung ihrer „schmalen“ Erwerbsminderungs-Rente (derzeit erhält sie 690 Euro). Trotz eindeutiger medizinischer Gutachten wird ihr Antrag auf Blindengeld verschleppt.

Nicht nur hier ist auffällig: der bürokratischer Kampf mit den Ämtern zermürbt die „Antragsteller“, die Schikanen der zuständigen Behörden (jobcenter, Sozialamt etc.) sind schier unglaublich. Aber auch  die Zurückhaltung von betreuenden Verbänden, die sich scheuen eine Untätigkeitsklage gegen die zuständigen Behörden auf den Weg zu bringen, zeigen ein typisches Bild, wie mit „Armen“ und ihren gesetzlich gesicherten Ansprüchen umgegangen wird. Auch Anwälte, die auf der Basis der Prozesskostenhilfe arbeiten, kalkulieren meist die Dosis ihres Engagements. Eigentlich gehörte dieses verdrängte Thema auf die jährliche Liste der Initiative Nachrichtenaufklärung.

Was folgert daraus für die Regel-Medienberichterstattung? Armut ist in der meist gesichtslos, die Scham der Betroffenen spielt eine große Rolle.  Solche „Fälle“ werden meist als Einzelfälle wahrgenommen und medial vermittelt. Vielleicht tauchen diese Einzelfälle in den Sonderspalten oder den „Ombuds-Formaten“ auf, wo auf die traurigen Einzelschicksale aufmerksam gemacht wird. Nach dem Motto: Die Redaktion interessiert  sich für die Menschen `ganz unten´ und schaut den Behörden auf die Finger. Zu oft werden diese Einzelfälle aber von den Redaktionen funktionalisiert für die Eigenwerbung: „Schaut her, wir kümmern uns.“ Für die Leser und Zuschauer bleibt am Ende das Gefühl „Gott sei Dank geht`s mir nicht so ....“ . Entlang von  Einzelschicksalen kann jeder Medienkonsument  den persönlichen Abstand nach Unten messen.

Die gelegentliche Berichterstattung über einzelne Obdachlose, Langzeitarbeitslose oder Menschen mit Erwerbsminderungsrente vereinzelt das strukturelle „Thema Armut“. Festzuhalten ist.

Der direkte Kontakt zu den abgehängten 20 Prozent steht nicht im Blickfeld der Aufmerksamkeit von Politikern, Medien  und Bürgern. Auch weil Armut oft einhergeht mit sozialer Ausgrenzung und Rückzug in Quartiere, mit denen sich die  Mehrheitsgesellschaft nicht konfrontiert.

Armut als Spaltungsbegriff – positive Daten zur Ablehnung der Zunehmenden sozialen Ungleichheit

Armut und Ungleichheit sind  all-gegenwärtig; Mindestens 18% sind arm oder leben an der Armutsgrenze, so die  Daten vom Statistischen Bundesamt. Armut gehört zu unserem Gemeinwesen, zu einem  Staat, der sich in seinem Grundgesetz  als sozialer Rechtsstaat definiert hat. Armut ist deshalb auch ein Kampfbegriff, weil es dieses Phänomen eigentlich nicht geben dürfte.

Kurz: Das Thema Armut ist d a s Synonym für die Grundfrage der Gerechtigkeit in einem Sozialstaat, für Oben und Unten, für die Frage der Legitimation einer (un)gerechten Politik, für die mangelnde Repräsentanz der gesamten Bevölkerung, für Ausbeutung und Unrecht.

In diesem Sinne ist Armut ein Magnetbegriff, der für die gesellschaftliche Spaltung und oft kaschierte Chancen-Ungerechtigkeit steht.

Im Kern ist damit die Frage angesprochen: w e r hat etwas zu verlieren?

W e r hat etwas zu gewinnen? Wer wird wie und warum benachteiligt?

Welche Gruppen werden mit Privilegien und Vorteilen versorgt?

Übrigens: 82% der Deutschen halten die Ungleichheit in Deutschland  für zu groß: Dies ist der zentrale Befund einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 6.7.16.  Ein eindeutiges Plädoyer für einen stabilen Sozialstaat, offenbar mit geringen Nachrichtenwert. Solche Ergebnisse greift noch das `Neue Deutschland´auf.

Die Auswertung der Studienergebnisse (www.fes.de) sind aber auch ein Fundus für überzeugende Argumente, die die aufkeimende Debatte über eine zunehmende „Soziale Ungleichheit“, begleiten und stützen können. Künftige Rentenkonzepte sollen Thema im Wahlkampf 2017 werden; die SPD denkt wieder an eine Vermögenssteuer. Und bei einem Flügel der Grünen scheint klar, dass die Frage der sozialen Umverteilung aus einem Steuerkonzept 2017 nicht –wie von wirtschaftsnahen Medien empfohlen- ausgeklammert werden kann.

Das verzerrte mind-set in der Sozialpolitik

Aus dieser Skizze sozialpolitischer Herausforderungen  ergeben sich bestimmte, interessengeleitete Narrative, die auch auf die Medienresonanz und Themensensibiltät in den Redaktionen abstrahlen.

-       Die Armutszahlen (u.a. des Statistischen Bundesamtes, der Armutsberichte u.a.) stimmten nicht, vor allem weil viele vermeintlich Arme noch weitergehende, statistisch nicht berücksichtigte  Einnahmequellen haben. (Mieten, Erbschaften, Zusatz-Jobs etc.) Die Caritas-Spitze, Unternehmerverbände und etablierte Forschungsinstitute argumentieren so.

-       Die Armuts-Berechnungen  seien auf zu hohem Niveau  zu hoch angesetzt; die Statistiken beruhten auf unrealistischen Grundlagen.

-       Weniger Sozialtransfers (Druck) förderten die Leistungsbereitschaft, den Druck  sich einen Job zu suchen oder auch  schlecht bezahlte Jobs anzunehmen.

-       „Verteilungsgerechtigkeit“ werde schon heute überstrapaziert; der Sozialstaat sei bereits mehr als  überfordert.

-       Armut ist die Kampflinie zwischen Interessengruppen: der Küchenzuruf – je stärker Sozialleistungen und Bedürftigkeit dis-qualifiziert werden, umso eher wird Um-Verteilung oder die Abmilderung von Ungleichheit von der Agenda abgesetzt. (vgl. Steuerdebatte im Wahlkampf 2013)

-       heikle Themen: Arm trotz Arbeit  -etwa 10, 5 Millionen Euro werden für Aufstocker ausgegeben- werden  als „Sozialromantik“ abgetan.

-       Bezogen auf die Medien gibt es kaum ein anderes Thema, dass derartig intensiv Aktivitäten des negative campaignings, der gezielten Manipulation und Desinformation stimuliert. (vgl. die zahllosen Beiträge zum Sozialmissbrauch)

Die Folge dieses permanenten Meinungsstreits um Fakten, Statistiken und Dauerangriffen auf den Sozialstaat. Unsicherheit, Unklarheit, Diffusion. Auch deshalb ist bereits die Konzeption von „Reichtums- und Armutsbericht in Bund und Ländern stets hoch umstritten.

Armut ist ein Konfliktthema, weil Armut anklagt – und nach Veränderungen  ruft. Armut hat mit Verteilungsgerechtigkeit, mit  Chancengleichheit, mit Gesetzestreue, mit Steuerpolitik zu tun. Der Kampf um notwendigen Veränderungen und den Abbau der Armut führt zum Dauerstreit. Das Thema gilt auch deshalb als  sperrig, kompliziert und unzugänglich. Den meisten  Medien fehlt im Schatten dieser massiven Interessenkonflikte die notwenige Klärungsenergie.

Für die Advokaten der Armen heißt dies: nüchterne Argumente vortragen, die vorliegenden Daten und Zahlen sauber und übersichtlich auswerten und jegliche Form von Desinformation und interessengeleiteter Interpretation von Statistiken sauber entziffern.

Argumentations-Muster Mindestlohn – von der Dramatisierung als Jobkiller zum lauten Schweigen über die Folgen der 8,50-Lösung

Fallbeispiel: Mindestlohn. Selbst die moderate Lösung von 8,50 Euro provozierte die Gegner  so stark, dass man –mit etwas Abstand- von einem Kulturkampf sprechen kann.

Mehr als 100 „wissenschaftliche“ Studien warnten vor den Auswirkungen des jahrelang diskutierten Mindestlohns – mit wohlwollender Resonanz in fast allen Medien.  In der Sächsischen Landesvertretung wurde die Lobby gegen den Mindestlohn koordiniert. Einzelne Branchen setzten sogar Ausnahmeregeln durch.

Hier haben die meisten Medien ihre „Unabhängigkeit“ nicht so ernst genommen  und sind dem mainstream gefolgt. Mindestlohn sei gefährlich und koste Jobs – so klang jedenfalls der mainstream, nicht selten mit Bezug auf die Flut der Studien.

Umgekehrt: nachdem nun die ersten Bilanzen des moderaten Mindestlohns vorliegen und die Horrorprognosen nicht eingetreten sind, verdünnt sich die Berichterstattung vom (früheren) Aufmacher zur (heutigen) Randmeldung. Die Kritiker sind leiser geworden, aber die vielen Institute haben ihre falschen Prognosen nicht korrigiert.

Das mediale Muster  „Mindestlohn“ könnte auch auf andere Armuts- Themen in der Grundtendenz angewendet werden: Die Lebenslagen von Aufstockern, Langzeitarbeitslosen, Dunkelziffern bei der Grundsicherung, Niedrigrenten uvm. stehen auf der Tagesordnung der öffentlichen Diskussion.  Doch auch hier dominieren wirtschaftsnahe Institute und Meinungsmacher mit ihren normativen Positionen die Debatten. Auch diese Tendenz spiegelt die Schwäche der sogenannten Zivilgesellschaft. Entsprechende Forschungsinstitute und Denkfabriken mit sprechfähigen Experten bespielen meist nur eine kleine Nische der Öffentlichkeit.

Aus dieser Entwicklung lässt sich eine Prognose ableiten: bei jeder weiteren sozialpolitischen Maßnahme – oder selbst moderater Umverteilung in einzelnen Sektoren (Vermögenssteuer, Abgeltungssteuer, Erbschaftsbesteuerung für Firmen), beginnt dieser eingeübte Refrain der drohenden Gefahren für den Wirtschaftsstandort  von neuem. Dabei ist auffällig, dass die jeweiligen Akteure  sich selbst nur im Weg stehen, weil sie ihre Lobbypolitik – etwa in der aktuellen Diskussion über die Erbschaftssteuer- massiv übertreiben. Offenbar folgen sie hier dem Vorbild der Bankenlobby.

Der Widerstand der Zivilgesellschaft, der zuständigen Verbände, der Gewerkschaften u.a. erscheint dagegen äußerst überschaubar.

Deren  Gegenexpertise zu den wichtigen Themenfeldern ist eher schmal, die mediale Präsenz ihrer Sprecher  jenseits der „Wirtschaftsweisen“ ist eher die Ausnahme.  Diese Asymmetrie in der Ressourcen-Ausstattung und der unzulänglichen Präsenz in den Medien hat auch Konsequenzen für die Sichtbarkeit von Gegenpositionen und das argumentative Fundament des Streits.

Die Folgen dieser analytischen und kommunikativen Defizite

1)    Medien haben drei wesentliche Defizite, die in den vorliegenden empirischen  Studien immer wieder begründet und belegt werden. (vgl. auch die Studie im Auftrag des BR im Frühjahr 2016)

In der Berichterstattung  fehlt es an Kontext und historischen Blick; der Mainstream und die Übernahme von konfektionierten Material  dominiert. Differenzierung und genaue Zeugenschaft von tatsächlich Betroffenen  (Präzision) hat es –jenseits von  Nischen- schwer.

Beim Thema Armut – obgleich derzeit im Konjunkur- Modus (vgl. Themenabend selbst bei RTL2, 16.7.2016)- zeigen sich diese Defizite besonders stark.

Diese „notleidende“ mediale Resonanz des Themas „Armut“  hat aber auch hausgemachte Gründe:

2)    Arme organisieren sich nicht, Arme haben nur wenige wirksame  Advokaten, kaum  Sprecher_innen, die Fachfragen mit Wertefragen überzeugend  vermitteln können. Wenn Betroffene  auftauchen, wie die Putzfrau aus Oberhausen oder die frühere Bundestagsabgeordnete, die jetzt putzt, dienen sie als entertainment- und Überraschungsfaktor in talk shows.  Wann gab es die letzte Langzeitreportage über einen 50-jährigen Facharbeiter mit Familie, der in die Langzeitarbeitslosigkeit entlassen wurde?

3)    Zu Armut und Sozialpolitik gibt es zu wenig verständliche Expertise und Einordnung. Sie ist oft  zu kompliziert, will sich unangreifbar machen und versteckt sich häufig im komplizierten  Detail. (Tendenz: viele Microanalysen, die einem bedenklichen Trend in den Sozialwissenschaften folgen)

Nur wenige Forscher sind in der Lage effektiv aus ihrem Wissensfundus zu schöpfen und die Ergebnisse anschaulich und wertbezogen  zu vermitteln, ohne in Klischees zu verfallen. Diejenigen, die dies überzeugend vermitteln könnten, kommen zu selten zum Zug. Warum fällt den Redaktionen wenig mehr ein als SINNfreie Forscher von interessengeleiteten Instituten zu befragen? Gibt es zu wenige „gesichtsbekannte“ Gegen-Experten?

4)    Armut hat keine Übersetzer: wer entziffert etwa die tatsächlichen, vollständigen  Arbeitslosenzahlen? Die Datenquellen und Sonderfaktoren?  Wer interpretiert die Arbeitslosenzahlen in den einzelnen Segmenten? Die Veränderungen der Beschäftigtenzahlen, wer nicht mehr in der Statistik auftaucht – und warum? Wer diese Fragen journalistisch aufgreift, ist schnell randständiger Außenseiter und bekommt jedenfalls in etablierten Sendungen wenig Platz.

5) Armut hat zu wenige Advokaten, auch weil Engagierte in diesem Feld rasch ein  looser-Image verpasst bekommen. Wo sind heute die prominenten Sozialpolitiker? In afa, cda, ... und anderen Arbeitsge-meinschaften der Parteien?  Nach Otmar Schreiner fallen wenige Sozialpolitiker mit Profil auf. Offenbar folgt ein Sozialpolitiker heute keinem erfolgsversprechenden  Karrieremuster in Fraktionen und Parteien.

Im Politikbetrieb werden sie zu einsamen Moikanern, was wiederum auf die mangelnde Resonanz in den Medien wirkt. Prominenz, Renitenz und Präsenz sind hier selten zu finden. Oder gibt es einen Sozialpolitiker vom Schlage  Bosbach, der die Talk-Shows bevölkert und bei den zuständigen Redakteuren als – „gesichtsbekannt“ eingeschätzt und routiniert eingeladen  wird?

6)  Armut entmutigt. Trotz allen Faktendarstellungen ändert sich nichts wesentliches in der Berichterstattung. Ausnahme: Wenn die Bertelsmann Stiftung eine neue Studie zur Armutsgefährdung von Alleinerziehenden publiziert (6.7.16, DLF), gibt es eine beachtliche mediale Präsenz.

7)  Über Arme wissen wir alles, über Reiche nichts. Daran wird auch der neue Armuts-Reichtums-Bericht wenig ändern.  Auch dieser Befund ist ein Ausdruck der Macht-Asymmetrie in Deutschland. (vgl. Monitor, 12.7.2016 mit dem Nachweis, dass die bisherigen Reichenszahlen falsch bzw. zu niedrig waren)

8) Am 17.7.2016 lief auf Phönix wieder das Forum Wirtschaft (zuvor Manager-Forum). Warum gibt es zeitgleich nicht ein vergleichbar besetztes Forum der Arbeitnehmer?

Constructive news: Folgerungen für die Medien-Resonanz   sozialpolitischer Brennpunkt-Themen

1)    Nie anfangen aufzuhören. Strategiebildung mit dem Ziel gemeinsamer, tragfähiger sozialpolitischer Positionen  in möglichst breiten, aber handlungsorientierten Bündnissen – auch über die Nationale Armutskonferenz hinaus.

2)    Auf mehr Repräsentanz des Themas Armut in Politik, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft drängen.  Sie nutzen ihre Chancen und Mitwirkungsrechte  in der Öffentlichkeit nicht. Sie sind dabei, aber sie greifen nicht ein.

3)    An allen Stellschrauben drehen – Defizite erkennen und beheben (s.o):

-       mehr Sprecher jenseits der deutschen Armutskonferenz (Strategie) etablieren

-       interne Analyse-Konflikte lösen (Caritas), um Angriffsflächen abzubauen – mit einer Stimme sprechen

-       Experten schulen, Expertise differenzieren (3 Stufen Modell für unterschiedliche Öffentlichkeiten)

-       Manipulationen  und Verzerrungen entziffern, Lobbygruppen identifizieren (die  Gewerkschaften und Sozialverbände haben mehr als 100 Vertreter in den Kontrollgremien der Sender ....), Mietmäuler, die sich als Experten ausgeben, inhaltlich widerlegen und in Frage stellen – Gegenöffentlichkeit mobilisieren (web)

-       Medienkritik etablieren, Selbstverständlichkeiten hinterfragen (Börsenkurse in der Tagesschau), Begriffe klären, Presseclub ohne Gegenpositionen,  den Wandel von Wirtschaftsmagazinen zu testenden Verbrauchermagazinen in allen Programmen thematisieren

-       Positive Narrative aufbauen (Sinn von Gemeinwohl und Gerechtigkeit, der Nutzen von sozialer  Infrastruktur , positives Leitbild der Armutsbekämüpfung  definieren,

4)    Das stumme Zuschauen beenden. Sichtbar werden und Forderungen erheben. Thema – anschaulich machen (z.b.Wohnungsmangel Berlin und anderen Großstädten)

5)    Initiativen und Aktive dürfen nicht stumm bleiben.  (Die stummen Helfer) sondern etwa nach dem Muster des Mainzer Vereins  „Armut und Gesundheit“ arbeiten.

6)    Mechanismen von Agenda-Setting, Agenda-Cutting, PR etc. verstehen und entziffern.

Berechtigte Medienkritik nicht als Vorwand für Distanz nutzen

In den Verbänden und der Zivilgesellschaft gibt es auch auf Grund schlechter Erfahrungen mit den Medien eine zunehmende Skepsis bezogen auf die Kooperation mit Medien. Viele Akteure haben den Eindruck benachteiligt, ausgenutzt  bzw. nicht beachtet zu werden.

Ein Gegenmittel ist eine qualifizierte Medienkritik entlang konkreter Beispiele zu formulieren; ernsthafte Verfehlungen sollten dem Presserat und den zuständigen Gremien der privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorgetragen werden. Sehr hilfreich ist auch das direkte Gespräch in Redaktionskonferenzen, oder zumindest die genau begründete schriftliche Kritik an die jeweils zuständigen Stellen zu richten.

Medienkritik ist in Deutschland sicher nicht optimal entwickelt. Die  Hoffnung, dass sich Medienstrukturen quasi organisch ändern, erscheint jedoch  nicht unbedingt realistisch. Deshalb ist die Beschäftigung mit den Grundtendenzen im Medienbetriebs unerlässlich, um  die gültigen Strukturen zu erkennen und ggf. mit begründeter  Kritik auf Defizite zu reagieren. Folgende Großtrends in der Medienlandschaft –zugespitzt in 14 Thesen-  können Anhaltspunkte sein, die Gründe für das mediale agenda-setting und agenda-cutting zu identifizieren.

Der generelle Großtrend: VOM JOURNALISMUS ZUR MEDIENPRODUKTION

Journalismus in allen Spielarten ist zu einer Ware geworden. Medienunternehmer aller Genres sehen sich als Manager dieser Ware, ohne ethische Regeln oder verbindliche journalistische Standards. Der Widerstand gegen die leise Auflösung von Qualitätsstandards in allen Medien ist gering. Ein kollektives Versagen aller Akteure im Mediengeschäft wird diesen Großtrend noch beschleunigen. Unabhängiger Journalismus wird zunehmend zur Luxusware in kleinen Nischen mit einem kleinen Publikum.

Die Masse folgt dem Mainstream, hat sich an Convenience-Ware gewöhnt.

Journalisten schauen zu und machen mit.

1.    Von der Mediendemokratie zur Empörungsdemokratie:

das ist der wesentliche Trend in den Medien. Die jüngsten Stationen von Wulff bis zum „Protzbischof“, von der Stiftung Warentext (Ritter – Sport) bis zu den „blauen Engeln“(ADAC) illustrieren, dass die Suche nach Skandalen und Empörungsangeboten die Medienproduzenten „navigiert“ und steuert.

Der „Aufreger“ ist zum zentralen Genre avanciert. Im ZDF bevorzugt man den Begriff „Angeh-Themen.“ Journalisten sind in diesem Konzept eher Emotions-Ingineure als Informations-Kuratoren.

Selbst die „Bunte Chefredakteurin“ (BR 7.11.15) die Entwicklung von Medien zu „heisslaufenden Erregungsmaschinen.“ Im Konkurrenzsog muss alles größer gemacht werden, als es ist. Das Drama wird zum durchgängigen Erzählprinzip, auch wenn es kein Drama gibt.

Im Zentrum steht der Gesprächswert einer Geschichte.

Auffällig ist, dass auch etablierte Medien – Produkte aus den sozialen Medien-  (indirekt) zitieren, um die Maschine anzutreiben.

Elementare Empörung in Echtzeit.

„Eines ist klar: Wir selbst saugen die Flut an, die Welle von irrelevanten Kleinigkeiten und die Riesenwellen des bloßen Scheins. Und dabei sind wir unersättlich. (...) Echtzeitjournalismus reicht schon lange nicht mehr. Die Endzeit muss es schon sein, über die wir Journalismus berichten.“

Nikolaus Brender

Emotionalisierung geht mit dem Trend zur Visualisierung einher. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – diese Mao-Erkenntnis ist zum Leitstern geworden. (Flüchtlinge, Kinde, etc.)

2.    „Content is King“ – Das Totalversagen der Medienmanager

Medienmanager gehen zunehmend von der Prämisse aus, dass sie mit der Ware „Information“ bzw. content handeln. Es geht um ein business, nicht um einen Auftrag. Die Privilegien der Medien dienen weitgehend nur noch als Überbau und PR-Kulisse, nicht mehr als innerer Kompaß und moralisches Gerüst.

Die Folge: Kostenreduktion über Unternehmensberater gesteuert, ist (fast) vollendet. Die meisten Zeitungen, Magazine (g+j), Privatradios etc. sind „austherapiert.“ Neue Konzentrationswellen sind schwer vorstellbar, aber nicht ausgeschlossen. (dapd, ftd, g+j, WAZ, Regionalzeitungen, Redaktionsgemeinschaften ...)

Alle suchen neue Geschäftsmodelle, das Coca-Cola-Rezept. Auf dieser Suche stören journalistische Standards. (Roboterjournalismus,  Digitalisierung, Kostenreduktion etc.)

- Verzicht auf Bezahlstrategie für Inhalte: fundamentaler kann Missmanagement nicht illustriert werden.

-„ „Allein mit Qualitätsjournalismus kann heute niemand mehr überleben.“

Hubert Burda, Horizont 21.1.2014

Diese Erkenntnis führt dazu, dass Journalisten die „Bergarbeiter des 21. Jahrhunderts“ sind. (ftd-Redakteur), 20%-Sparregel in den Redaktionen, ausgebrannte und austherapierte Redaktionen in newsrooms sind die „content“-Produzenten.

3.     Akzeptanz ist Relevanz“ -  Verlust der Orientierungs-Autorität

Begleitet  wird dieser Trend durch einen informellen Wandel der Nachrichtenfaktoren. Gesprächswert steht ganz oben. Echte Relevanz wird „unrelevant“. Fallbeispiel 7.11.15 Hauptnachrichten zur AfD-Demonstration: RTL (10 Sekunden im anderen Beitrag, heute – Null, ARD 20.00 – voller Beitrag Position 2, nif-heute journal)

„Akzeptanz ist Relevanz“ ist nun schon der offizielle Slogan. „Reichweite Legitimation.“ Die Quote ist der eigentliche Programmdirektor.

- Der innere Kompass im Journalismus ist verlorengegangen. „Die Umkehr der Wichtigkeiten“ ist Programm.

- Journalisten sind „Experten für bewusstes Missverstehen.“ (Bundespräsident Köhler)

- „Kompetenz-Kompetenz“-Problem – Abkehr von Fachjournalisten

- Bissinger: Statt Wächterfunktion: die Wirklichkeit wir „nur nach den eigenen Bedürfnissen und Informationsprofilen gefiltert.“

- Verlust journalistischer Standards und Übergang zu „anything goes“

- Ist Journalismus drin, wo Journalismus draufsteht?

Auf diese Weise wird Journalismus in den Zwängen von minütlicher Messbarkeit, von Echtzeit, wahnwitziger Komplexitätsreduzierung, Unterhaltungs-Sucht und ökonomischen Zwängen zu einer unberechenbaren Größe.

4.    Vom Seismograh und Frühwarnsystem zum Schreibtisch-Produzent

Die Folge ist ein verändertes Berufsbild: Im Kern müsste in der Berufsberatungsblättern der Beruf mit „Emotions-Ingenieur“ angegeben werden. Oder als „Gesprächs-Animateur“ oder „Gefühls-Stimulant.“

-> Die Folge: Verheerende Zahlen zur Glaubwürdigkeit – Zweifel wachsen bei etwa der Hälfte der Konsumenten, ob noch vollständig, umfassend, unvoreingenommen berichtet wird. (Edelmann Trust Barometer 20.1.15, nur 66%  haben Vertrauen, ZDF, infratest WDR, forsa, BR-Studien)

5.    Produzieren statt Kuratieren, Umsetzen statt Denken – Der Trend zum Convenience Journalismus

Journalisten sind vor allem Produzenten von vorgefertigten Stoffen, die konfektioniert, veredelt, evtl. erweitert werden. Sie paraphrasieren, was andere an „content“ liefern.

Das Berichten aus eigener Anschauung vor Ort, mit der Nutzung vielfältiger Quellen und der Einordnung auf der Basis von (spezieller) Fachkenntnis und Erfahrungswissen  ist „old school“. Selten, die Ausnahme.

Überschriften-Texten sind wichtiger als Analyse. (SEO)

Suchmaschinen-Optimierung ist wichtiger als Quellenzugang und die Kernfunktion des Kuratierens von Informationen.

Erfahrungswissen und Fachkompetenz hat keinen Mehrwert. Jeder soll alles machen, weil alles gleich (un)wichtig ist.

Dieser Trend führt zu den zwei größten Schwachstellen des gegenwärtigen Journalismus: Die Produkte im Massensektor sind kontextfrei und losgelöst von geschichtlicher und politischer  Einordnung. (Doping, Fifa, VW)

Fallbeispiel: Geheimdienste, Wirtschaft

Die Planungstiefe im Journalismus wird immer massiver, direkter:  Am Anfang einer Geschichte steht fest, was am Ende rauskommen soll.

O-Töne werden zunehmend geplant und vorgegeben.

Vom Fakten-Journalismus zur faction. Alles wird vorgeplant, konstruiert.

Ein bestimmter O-Ton (Aus der Vorstellung, nicht der Realität) wird gefordert. Ein bestimmtes Bild wird gewünscht.

Faction ist angesagt, modernes storytelling. (incl. der Werbung)

Scripted reality in allen Formen ist längst Realität. Der Format- und Kontrollwahn nimmt dramatisch zu. Der Inhalt von journalistischen Produkten wird auf die erwartete Akzeptanz ausgerichtet.

Überraschung, Neugier, Musterbrecher, Experimente sind verpönt. Sie reden von neuem storytelling, aber meiden jedes Risiko.

Ralf Heimann (Kress 22.10.15) – „Die ganze Kultur ist versaut.“ Man muss das Gerücht kolportieren, „Recherchezeit ist Arbeitszeit.“ „Imageproblem.“

- Keine Konsequenzen aus der Kritik.

Der Convenience –Journalismus ist ein Scheunentor für lautlosen Rufmord.

GdL: „Die Medien lassen sich einspannen in grosse Dreckschleuder-Maschinen, um Menschen zu beschädigen.“ (BR, 7.11.15) Der Fall Wulf wurde nicht aufgearbeitet. OBS – Preis Medienkritik.

6.    Postkarten und „Blue Sky“ – Journalismus und „constructive news

Die Voraussetzung für dieses (fast) durchgängige Modell ist die

Selbstbegrenzung auf eine gnadenlose Komplexitätsreduzierung aller Stoffe und damit dem Verzicht auf Differenzierung. („RTL Prinzip“ – blue sky) – Der einfache Erzählsatz zählt allein  beim Themen-Verkauf. („Alles muss man in einem Satz –„dem Küchenzuruf“- präsentieren.)

Die serielle Banalisierung aller Stoffe gilt als Garant für Quoten, Auflagen, Klicks. Die übertriebene Personalisierung aller Stoffe und Themen ist das Gleitmittel dieser Entwicklung.

Es geht immer mehr um Verpackung. Die Konfektionierung (Hülle) ist wichtiger als der Inhalt.

Lernziel in der Journalistenausbildung:  Komplexitätsreduzierung ist Quotensteigerung.

Journalismus soll „Aha-Erlebnisse“ verschaffen. „Aufklärung ist retro.“

Man wünscht sich selbst im Auslandsjournal die Reaktion „whow ey“.

Naturmagazin: Emotional beginnen, um an Ende noch ein paar Informationen unterzubringen.

7.    Der Hang zum Mainstream ist das Krebsgeschwür des Journalismus. Fast alle führenden Chefredakteure sehen hier das grösste Problem. (HB, Zeit uvm.)

Die Macht eines engen Kommentariat, der Verlust an Handschriften, pluralen Blickwinkeln, informellen Vereinbarungen, thematischen Ausgrenzungen etc. wird nicht einmal mehr von den Machern ausgeblendet. Diese Selbstkritik bleibt aber folgenlos.

Die Gefahr: die mediale und politische Klasse verschmelzen. (Steingart)

Fallbeispiel: DLF – Korrespondentin in Erfurt: Wir haben uns darauf verständigt den Galgen auf der Pegida-Demo nicht so hochzuhängen.

8.    Der Stichflammen-Journalismus in Echtzeit dominiert

Medien setzen Themen, um möglichst lange auf der Welle zu schwimmen, aber sie tragen in wesentlichen Fragen wenig dazu bei, dass ein Themenkomplex systemisch und umfassend ausgeleuchtet wird. (Versagen Sportjournalismus bei Fifa, Doping und Fussball, oder bei VW, Lobbyismus ...) Es geht hier nicht um Recherche-Verhinderung, sondern um Fleiß oder Faulheit.

Auffallend ist die Häme bei neuen Projekten, die einen anderen Ansatz versprechen. Das Postulat „Der Journalismus im Netz ist tot.“ (Kraut Reporter) war das Signal zum Angriff.

Verdachtberichterstattung des Spiegel (Fifa) wurde massiv kritisiert.

Bis die Steuer-Razzia erfolgte. Cmf-Kritik in Jury.

- Dauerdrama, alles wird größer, Überschriftenjournalismus grassiert

- „Aktualität geht vor Realität“ CF

9.    Der social meedia Wahn soll Transparenz, Offenheit und Dialogbereitschaft signalisieren, höhlt aber Kompetenz aus. (Entgrenzung des Journalismus)

Medien postulieren das Transparenzgebot. Es ist aber nur ein

Methadonprogramm für politisches Nicht-Handeln. (vgl. Transparenzberichte zu Kosten; Sportrechte)

 Auch hier dominiert der  Stichflammen-Journalismus“ .

„Wir wollen, dass sie sich gut informiert fühlen.“ / „Alles was Dich bewegt.“

„Die Twitter-Tussy suggeriert durch die Bekanntgabe von Mails und Tweets die Nähe zu social meedia. (Mythos)

Immer öfter werden Beiträge aus dem web gemacht (moMa), social meedia Beiträge ersetzen journalistische Einordnung. Die Produktion ist billig, ermöglicht über die Brücke einer fremden Quelle mehr Schärfe, mehr Häme.

- Kritik ex- ZDF Programm-Direktor im DLF

10.      Content Marketing und perfekte(re) PR dominieren

Journalismus wird zunehmen zur „Kommentierung von Marketing.“

( auf allen Ebenen) – Die Stofflieferanten werden tabuisiert.

Die Wirtschaft u.a. liefern „unabhängigen content“ und verpacken ihre

Botschaften und Narrative i n den Journalismus. Berufsbilder verschwimmen. Der Druck auf die Macher senkt die Schwellen der Ablehnung. (-> siehe Berufsbild)

Die größte Korruptions-Abhängigkeiten in den Medien besteht in der Abhängigkeit von Informanten. (Jürgen Leinemann) Das heißt: Informanten und spin doctoren (in Verbindung) zehren Unabhängigkeit.

(vgl. vorabmeldungen in Spiegel und focus) praktizieren neue content-Modelle, die unbemerkt Platz greifen

11.      Maximales Selbstbewusstsein – minimale Selbstkritik

Keine andere Branche tritt mit übergrossen Selbstbewußsein und einem

geringen Kenntnisstand auf. Nirgendwo ist die Bereitschaft zur Selbstreflexion und ggf. Selbstkritik so unterentwickelt. Medienkritik in eigener Sache gibt es (fast) nicht. (Thüringen) „Berufs-Ethik“ ist „retro.“

(Desinteresse an Hintergründen, weil sie nicht verwertbar sind.)

Michael Rutz wartet auf den Moment, wo Journalisten beginnen, „selbstkritisch über ihr Selbstverständnis zu diskutieren.“ Christ und Welt, 1/2/15

Fallbeispiel: Es gibt eine riesige Aufregungswelle, wenn nicht alle Medien Platz im NSU Gerichtssaal bekommen, aber niemand interessiert sich anschließend für die tatsächliche Präsenz und die Qualität der Berichte.

12.      (Fast kompletter) Ausfall der Medienkritik / Wirkungsloser Presserat/Begleitende Gremien als Teil des Spiels

Medien leben in einem selbstgebauten Schutzraum. (vgl. Wulf) Keine Krähe hakt der anderen ein Auge aus. Karrieremeldungen sind wichtiger als kritische Medienreflexion. (FAZ Flüchtlinge)

Folge: An der gesamten Misere ändert sich nichts.

Verstecktes Machtspiel ohne offenes Visier  * vgl. house of cards

Im Kern geht es um eine Dominanzfrage. Es geht um die Machtfrage – vor allem im Verhältnis zur Politik.  (von Lojewski) (Wulff et.al., der Protzbischof etc.) Politikverachtung –nicht nur der agierenden Politiker, sondern des gesamten Politikbetriebs- haben erschreckend hohen Stellenwert. Der Prozeß demokratischer Kompromissbildung und des Interessenausgleichs wird von dem meisten Journalisten verachtet.

Sie wissen es besser, greifen zunehmend in das Geschehen ein, müssen sich dafür aber niemand gegenüber rechtfertigen. (z.B. Bürgermeisterwahlen – Regionalpresse).

„House of Cards“ im Regierungsviertel: der übliche Deal – Nachrichtenhandel floriert

Jürgen Trittin verglich den Berliner Betrieb mit den Machenschaften, die  in der viel gerühmten US-Serie „House of Cards“ (SAT1-Mediathek) zu besichtigen waren.  Die Abhängigkeiten zwischen Medien und Abgeordneten und die Abhängigkeit von Entscheidungsträgern von den Mächtigen aus Industrie und Wirtschaft  sind die wesentlichen Narrative von House of Cards. Die Serie –so Trittin- „zertrümmert rücksichtslos das Gerede von den Medien als Kontrolleure der Macht. Medien sind selber Teil der Macht. Sie berichten nicht einfach, sie setzen Themen.“ (…) „Der übliche Deal (`Ich versorge Dich mit Material und Du zitierst mich.)“ müsse nicht zu zeitweiligen Verhältnissen (wie bei den Protagonisten  in der Serie) führen. „Aber es läuft genau so.“  - bilanziert der grüne Spitzenkandidat 2013.  „Medien sind Teil der politischen Maschinerie, auch wenn sie das scheinheilig verleugnen, stattdessen pauschalierend über „die Politik“  reden und damit das Vorhandensein realer politischer Alternativen vernebeln. Sie setzen Themen, Trends und Stimmungen.“

14.      Hat Kritik Folgen? Oder perlt jede Kritik einfach ab?

Informationsfülle und mangelnde Verdichtung und Einordnung führen zur Desorientierung (BR-Studie: 50% glauben nicht an die  Arbeit Wahrheitsvermittler)

„Die Tatsache, dass die Menschen heute so viele Informationen haben, führt dazu: das sie keinen Streit mehr wollen.“ (Zeit, 2.7.2015, 24)

Roland Koch

„Mann kann klar sagen, dass es diesen Eskapismus gibt, die Mehrheit der Menschen flieht vor komplexen Dingen. Das kann man auch im Alltagsgeschäft sehen, da fahren sie Slalom, um die Nachrichten herum. Die gucken erst den Krimi bei uns, dann den in der ARD. Rechtzeitig schalten sie um, dass sie bloß nicht die Nachrichten schauen müssen.“

Elmar Theveßen, Die Zeit, 16.7.2015, 22

Peter Friedrichs: „Die veröffentlichte Meinung und die öffentliche Meinung sind 180 Grad auseinander.“ (HB 8.9.15)

Fazit: „Wir alle müssen uns von einem Journalismus verabschieden, der aus zwei Werten bestand: Qualität und Unabhängigkeit.“ Karin Müller, Medienwoche 19.6.2014)

Download Input Prof. Dr. Thomas Leif


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